Interviews zur Geschichte und Theorie des Datenschutzes in Deutschland (Stand: Februar 2017)
In den nachfolgenden Interviews sind Stimmen von einflussreichen Datenschützern insbesondere der 1. Generation sowie von ehemaligen Datenschutzbeauftragten sowie von Theoretikern des Datenschutzes eingefangen.
Trailer
Aktualisierter Trailer zu den Interviews mit Interviewpartner bis April 2013 (Dauer: 3m33s).
Zusammenschnitt
Ein Zusammenschnitt prägnanter Aussagen aus den Interviews bis April 2013 (Dauer: 16m46s).
Andreas Schurig
Andreas Schurig wurde 1958 in Dresden geboren und studierte zunächst Mathematik, dann Theologie. Herr Schurig war Mitbegründer der SPD in der DDR in Leipzig. Seit 1993 Mitarbeiter der Datenschutz-Aufsicht, leitet Herr Schurig seit 2004 als Landesdatenschutzbeauftragter die Behörde. Im Interview werden u.a. die Anfänge des Datenschutzes in Sachsen sowie die Diskussionen um Schutzziele des Datenschutzes der ersten Generation angesprochen. Ein besonderer Höhepunkt des Gesprächs sind theologische Aspekte des Datenschutzes.
Peter Schaar
Peter Schaar wurde 1954 in Berlin geboren und studierte Volkswirtschaftslehre. In den 1980er und 1990er Jahren arbeitete er beim Hamburgischen Datenschutzbeauftragten und war u. a. dessen Stellvertreter. Von 2003 bis 2013 übte er das Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit aus. In seine Amtszeit fielen u. a. die Diskussionen um das "Stopp-Schild" im Internet und Befugnisse von Sicherheitsbehörden, die Snowden-Enthüllungen und die Zunahme der Europabezüge auch im nationalen Datenschutz. So leitete er von 2004 bis 2008 die Artikel-29-Datenschutzgruppe.
Jost Halfmann
Prof. Dr. Halfmann arbeitet an der Technischen Universität Dresden als Techniksoziologe. Herr Halfmann hat die Implementation des Internet in der Gesellschaft von Beginn an soziologisch beobachtend begleitet. Sein theoretischer Ansatz ist dabei "sachrealistisch". Technik gilt ihm als eine materialisiert-gefrorene Form von Gesellschaft, die ohne eine gesellschaftliche Eigenlogik als Medium der Kommunikation funktioniert. Herr Halfmann macht darauf aufmerksam, dass mit der Geburt der Demokratie auch die Überwachung der Bevölkerung einsetzte. Der Deal lautete: "Ihr könnt mitspielen, dafür überwachen wir euch". In dessen Folge dann Polizeistationen, Meldeämter, Finanzämter, Gesundheitsämter usw. entstanden. Durch das Internet entstünde für diese Konstellation keine neue Qualität. Die funktional differenzierte Moderne - mit ihren individualisierten, auf Privatheit angewiesenen Menschen - sei nicht schon deshalb in Gefahr, weil es mehr und global agierende Monopole oder eine verstärkte Dominanz der Exekutive gibt.
Uwe Jürgens
Uwe Jürgens arbeitete von 1978 bis 2008 als Leiter der Technikabteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Schleswig-Holstein. Uwe Jürgens war Autor der ersten deutschen Datenschutzverordnung, die sich zum Ziel setze, normative Regelungen in operativ erfüllbare Anforderungen zu transformieren. Uwe Jürgens nahm frühzeitig Einfluss auf die Ausbildung einer Prüfmethodik für Datensicherheit und operativen Datenschutz in Deutschland. Das Interview macht deutlich, welche Techniken zur Informationsverarbeitung aus der Mitte der 70er Jahre das Verständnis für die Notwendigkeit eines auch operativen Datenschutzes formten.
Paul J. Müller
Paul J. Müller hat den Beginn der Institutionalisierung des Datenschutzes Anfang der 1970er nicht nur als Soziologe beobachtet, sondern mit eigenen empirischen Untersuchungen und theoretisch gestützten Überlegungen einflussreich mitgestaltet. Er gilt unter anderem als früher Kritiker der Sphärentheorie im Datenschutz: Eine Zwiebelschalenvorstellung abgestufter Privatheitssphären, bei der einerseits vom intimsten Kernbereich immer mal wieder sogar beim Bundesverfassungsgericht die Rede ist, trifft auf eine Wirklichkeit, in der Daten aus diesem Bereich in vielfacher Form in den Datenbanken der Organisationen abgelegt sind. Herr Müller spricht auch das Thema der Vereinbarkeit von Freiheit der (Sozial-)Forschung und Datenschutz der von Forschung Betroffenen an.
Andreas Pfitzmann
Prof. Dr. Andreas Pfitzmann war Leiter des Lehrstuhls Datenschutz- und Datensicherheit an der TU Dresden. Seine Forschungsinteressen galten insbesondere Datenschutz und multilateraler Sicherheit hauptsächlich in Kommunikationsnetzen, in der Mobilkommunikation und in verteilten Anwendungen. Er entwickelte mit seiner Forschungsgruppe datenschutzfördernde Technik, wie beispielsweise die Anonymisierungs-Software JAP auf Basis einer Anonymität gewährleistenden Infrastruktur und Prototypen zum Identitätenmanagement. Er war ein angesehener Berater und Gutachter u.a. für Verfahren des Bundesverfassungsgerichts. Prof. Dr. Andreas Pfitzmann starb im September 2010.
Spiros Simitis
Prof. Dr. Dr.h.c. Spiros Simitis ist ein international renommierter Jurist, der von Beginn an maßgeblichen Anteil an der juristischen Herleitung bzw. Begründung und Ausgestaltung des Datenschutzrechts hat. Von Herrn Simitis stammen die einflussreichsten Kommentare zum Bundesdatenschutzgesetz sowie zur EG-Datenschutzrichtline. Neben vielen anderen Engagements leitete er bis 2013 die Forschungsstelle für Datenschutz an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt.
Wilhelm Steinmüller
Prof. Dr. Wilhelm Steinmüller hatte federführend das im Juli 1971 vom Bundesministerium des Innern in Auftrag gegebene Gutachten "Grundfragen des Datenschutzes" (Drucksache VI/3826) angefertigt. Darin wurde der zu regelnde Gegenstandsbereich des Datenschutzes erstmalig systematisch ausgearbeitet und die Figur der "informationellen Selbstbestimmung" formuliert, die 1983 im sogenannten "Volkzählungsurteil" des Bundesverfassungsgerichts dann eine zentrale Rolle spielte. Prof. Dr. Steinmüller starb im Februar 2013.
Kai von Lewinski
Prof. Dr. Kai von Lewinski, heute Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht in Passau, hatte bis zum Zeitpunkt des Interviews insbesondere lesenswerte Texte zur Geschichte des Datenschutzes verfasst. Im Interview stellt Prof. Lewinski das Datenschutzrecht in eine Tradition der Rechtsentwicklung und versucht zu zeigen, wie sehr das aktuelle Datenschutzrecht den "Geist der 70er Jahre" atmet.
Thilo Weichert
Dr. Thilo Weichert ist Politikwissenschaftler und Jurist. Dr. Weichert war vom 1. September 2004 bis zum 31. August 2015 der dritte Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein. Unter seiner Leitung fand der konsequente Ausbau des "Neuen Datenschutzes" statt, mit einer besonderen Betonung des sich an die Öffentlichkeit richtenden, politischen Diskurses zum Datenschutz.
Hans-Peter Bull
Prof. Dr. Hans-Peter Bull ist Staats- und Verwaltungsrechtler. Herr Bull war von 1978 bis 1983 der erste Bundesbeauftragte für den Datenschutz und von 1988 bis 1995 Innenminister des Landes Schleswig-Holstein.
Bernd Lutterbeck
Prof. Dr. Bernd Lutterbeck hatte bis Mitte 2009 einen Lehrstuhl für angewandte Informatik an der TU-Berlin inne. Herr Lutterbeck war Mitautor des für die Entwicklung des Datenschutzes in Deutschland maßgeblichen Datenschutz-Gutachtens von 1971, in dem die für den Datenschutz zentrale Figur der "informationellen Selbstbestimmung" entwickelt wurde. Prof. Lutterbeck starb im Dezember 2017.
Falk Peters
Dr. Falk Peters promovierte 1981 bei Prof. Simitis über Arbeitnehmerdatenschutz. Herr Peters arbeitete als Rechtsanwalt für führende Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik und ist derzeit Lehrbeauftragter für Rechtsinformatik der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus.
Helmut Bäumler
Dr. Helmut Bäumler ist Jurist und war der zweite Landesbeauftragte für den Datenschutz in Schleswig-Holstein. Während seiner Amtszeit von 1992 bis 2004 hat Dr. Bäumler viele wegweisende Innovationen in die Datenschutzpraxis eingeführt, er gilt als Wegbereiter des "Neuen Datenschutzes".
Adalbert Podlech
Prof. Dr. Dr. Adalbert Podlech ist Rechtswissenschaftler für Öffentliches Recht und Historiker, der maßgeblichen Anteil an der juristischen Herleitung bzw. Begründung und Ausgestaltung des Datenschutzrechts, insbesondere zum sogenannten Volkszählungsurteil von 1983, in Deutschland hatte. Prof. Podlech starb im April 2017.
Alexander Roßnagel
Prof. Dr. Alexander Roßnagel hat einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Recht der Technik und des Umweltschutzes am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel inne. Prof. Roßnagel war insbesondere einer der Autoren des Gutachtens zum Bundesdatenschutzgesetz von 2001.
Marit Hansen
Marit Hansen ist Diplom-Informatikerin, seit dem 1. September 2015 ist sie die vierte Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein. Frau Hansen hat einen großen Anteil an der Entwicklung von datenschutzfördernden Techniken.
Ernst Eugen Becker
Ernst Eugen Becker war der erste Landesbeauftragte für Datenschutz in Schleswig-Holstein. In seine Amtszeit von 1978 bis 1992 fiel unter anderem die Barschel-Affäre. Herr Becker starb im August 2013.